Illerkirchberg und seine Geschichte
Geografische Lage
Illerkirchberg liegt direkt an der baden-württembergisch-bayerischen Grenze – wie der Name schon sagt, an der schönen Iller. Im Norden grenzt die Gemeinde an den Stadtkreis Ulm, im Süden an die Gemeinde Illerrieden und im Westen an die Gemeinde Staig. Östlich von Illerkirchberg – bereits im Freistaat Bayern und jenseits der Iller – liegt die Stadt Senden.
Die Gemeinde besteht aus zwei großen Ortsteilen, zu denen jeweils kleinere Weiler gehören.
Der Ortsteil Unterkirchberg befindet sich im nördlichen Gemeindegebiet an der Einmündung des Weihungstals in das Illertal. Der ältere Teil Unterkirchbergs mit Kirche liegt auf einem Molassesporn links zwischen beiden Flüssen. Ein ebenfalls sehr aufgelockert bebauter, wohl etwas jüngerer Teil, erstreckt sich im Weihungstal links des Flüsschens.
Südlich von Unterkirchberg, in Richtung Staig-Steinberg liegt der zum Ortsteil Unterkirchberg gehörende Weiler Mussingen. Ebenfalls zu Unterkirchberg gehört ein kleiner Siedlungsteil namens Ziegelei, der aus wenigen Häusern und dem Bauhof der Gemeinde besteht. Die Ziegelei liegt südlich von Unterkirchberg genau zwischen den beiden großen Ortsteilen.
Südlich von Unterkirchberg liegt der Ortsteil Oberkirchberg. An das Schloss auf einem Terrassensporn lehnt sich ein kleiner Siedlungsteil mit zwergstädtischem Charakter an, abgeschlossen durch den gräflichen Gutshof. Eine gleichfalls ältere Siedlungszeile entstand im Mündelbachtal. Auf dem gegenüberliegenden Hang im Westen entstanden im Laufe der Zeit weitere Wohngebiete.
Im Westen von Oberkirchberg liegt der Weiler Buch, das zwischenzeitlich fast komplett mit den Wohngebieten Oberkirchbergs zusammengewachsen ist. Weiter im Südwesten befindet sich der Weiler Beutelreusch, an das sich weiter im Süden ein weiterer Weiler namens Oberweiler anschließt.
Geschichte
(überarbeitet und aufgestellt von der Interessengemeinschaft Heimat und Geschichte, Ulrich Muhr, September 2022)
Illerkirchberg ist eine sehr junge Gemeinde und wurde im Jahr 2022 50 Jahre alt. Denn erst am 1. April 1972 schlossen sich im Zuge der damaligen Gemeindegebietsreform die einstmals selbständigen Gemeinden Unterkirchberg und Oberkirchberg zu einer Einheitsgemeinde zusammen. Illerkirchberg ist seither Sitz des Gemeindeverwaltungsverbandes Kirchberg-Weihungstal, zu dem – neben Illerkirchberg – auch die Nachbargemeinden Hüttisheim, Schnürpflingen und Staig gehören.
Funde von neolithischen Tonscherben, eines Steinbeils und Grabfunde aus der Urnenfelderzeit (ca. 1200 v. Chr.) zeugen von der frühen Besiedelung. Zur Zeit des römischen Reichs stand am nördlichen Ortsrand von Unterkirchberg ein Kastell aus claudischer Zeit (ca. 50 n. Chr.). Alemannische Reihengräber belegen die Besiedelung im frühen Mittelalter.
Erste schriftliche Belege stammen aus dem Jahr 1087 von der Grafschaft Kirchberg, die ihren Ursprung in einer der ehemaligen Burgen der beiden Ortsteile Unter- oder Oberkirchberg hatte. Die sehr alte und bedeutende Grafschaft umfasste grob die Gebiete, die zwischen Iller und Donau liegen, von der Illermündung bis auf die Höhe von Memmingen bzw. Zwiefaltendorf.
Die Grafen Hartmann und Otto stifteten 1093 das Kloster Wiblingen. Dem Geschlecht, das häufig am Stauferhof erwähnt wird, entstammen die Minnesänger Konrad (1255 - 1286) und sein Bruder Bruno, Bischof von Brixen (1250 - 1288), der Gründer von Bruneck.
Erbteilungen und Verleihungen zerstückelten seit dem 13. Jahrhundert die weit ausgedehnte Grafschaft. Nach vielfachem Herrschaftswechsel brachte 1459 die Wullenstetter Linie der Grafen von Kirchberg die Grafschaft wieder an sich, veräußerte sie aber 1498 an Herzog Georg von Bayern. Mit Graf Philipp starb 1510 das Haus Kirchberg aus. Die Grafschaft gelangte 1504 an König Maximilian, der sie 1507 als österreichisches Lehen um 50 000 Gulden an Jakob Fugger verkaufte. Die Fugger wurden bald in den Grafenstand erhoben und Kirchberg blieb im Besitz der Raimund‘schen Linie bis zur Mediatisierung und dem Übergang an Bayern 1805. 1805 wurde die Grafschaft aufgehoben und Unter- wie Oberkirchberg fielen zunächst an Bayern und dann 1810 an Württemberg Erst mit dem 14. Jh. wird in den schriftlichen Quellen zwischen den Ortschaften Unter- und Oberkirchberg unterschieden.
Ortsteil Unterkirchberg
Das Kloster Wiblingen hatte hier schon um 1100 Besitz. Später gehörte der überwiegende Teil des Ortes dem Wiblinger Kloster. Seit 1441 unterhielt die Reichsstadt Ulm eine Zollstätte an der 1805 von den Franzosen zerstörten Illerbrücke, die den Brücken- und Wasserzoll erhob. Die Martinskirche gehörte bereits 1194 dem Kloster Wiblingen und wurde seit 1379 bis zur Säkularisation durch einen Mönch versehen. Die Pfarrei hatte früher einen sehr großen Sprengel zu dem auch Oberkirchberg gehörte, mit Ausnahme des Schlosses (bis 1819). Die katholische Pfarrkirche wurde 1517 vom Kloster Wiblingen im spätgotischen Stil erbaut, 1552 nach Verwüstungen durch Soldaten Markgraf Albrechts von Brandenburg wiederhergestellt, 1731 dann renoviert und barockisiert, Turm von 1784, Vorhalle 1913, barocke Fresken im Schiff mit Krönung Mariens von Christoph Achart, Barockmadonna, stattlicher Pfarrhof von 1763.
Ortsteil Oberkirchberg
Hier wurde Roman Sebastian Zängerle geboren (1771 - 1848): Theologieprofessor und zuletzt Fürstbischof von Seckau. Das alte Schloss, am Platz der mittelalterlichen Burg stehend, wurde 1589 durch einen Hangrutsch teilweise zerstört; direkt danach wurde ein “neues” Schloss erbaut. 1764 wurde dort das jetzt stehende Schloss vom Baumeister Bagnato erbaut. Jakob Fugger erbaute 1514 eine Schlosskapelle zum Hl. Sebastian, die 1818 zur kath. Pfarrkirche erhoben wurde. 1784 und 1789 frühklassizistisch umgestaltet, 1901 erweitert. Der Turm mit romanischen Teilen wurde 1886 erhöht. Das Kastenhaus stammt aus dem 16. Jh und diente als Lagerhaus für die Abgaben, den Zehnten der Graf-
schaft und sonstigen Gütern.
Die Weiler im Einzelnen:
Beutelreusch: 1347 Bütelrisch, 1502 Bewtelreysch. Gehörte stets zur Grafschaft Kirchberg. Kirchberger Lehen der Fülhin kamen 1386 an die Ehinger und vor 1469 an die Löw zu Ulm. Kapelle zum Heiligen Leonhard von 1763.
Buch: 1275 Buche, 1334 Buch, 1354 Buoch, 1368 Buoche (Buchenwald). Gehörte ebenfalls der Grafschaft Kirchberg, doch erwarb das Kloster Wiblingen seit dem 14. Jahrhundert Rechte und Güter und hatte im 18. Jh. die Niedergerichtsbarkeit über seine Mühle und mehrere Güter.
Oberweiler: 1617 Weyler. Gehörte den Grafen Fugger.
Mussingen: 1263 Mussingen, wohl älteste Siedlungsschicht. 1263 kommt ein Ha. von Mussingen, wohl ein Ortsadliger, vor. Mussingen gehörte zur österreichischen Marktgrafschaft Burgau, doch übte Kirchberg die hohen Regalien aus. Ulmer Familien (Rottengatte, Schad von Mittelbiberach) hatten mehrere Höfe als Mannlehen. Auch das Kloster Wiblingen war begütert.
Ziegelei: Gegründet 1866 von Ulrich Geiger als Ziegelei mit Ringofen, die bis in 1970er Jahre in Betrieb war und heute als Bauhof und Wertstoffsammelstelle der Gemeinde dient.
Wappengeschichte
Aus dem Schreiben der Archivdirektion Stuttgart vom 6. Juli 1972:
„(…)
Wappenbeschreibung: „In gespaltenem Schild vorne in Gold (Gelb) eine aus einem grünen Dreiberg wachsende, nach links gewendete, rot gekleidete und rot gekrönte Mohrin, in der Linken eine rote Mitra haltend, hinten in Schwarz ein doppelarmiges goldenes (gelbes) Kreuz (Patriarchenhochkreuz).
Flaggenfarben: Rot-Gelb (Rot-Gold)
Wappendeutung: Die gekrönte Mohrin, die eine Mitra in der Hand hält, ist die Wappenfigur der alten Grafen von Kirchberg; sie erscheint auch in einem Feld des Wappens der jetzt in Oberkirchberg sitzenden Grafen Fugger-Kirchberg. Außerdem war diese Figur - aus einem grünen Dreiberg wachsend - in den erloschenen Wappen der zusammengeschlossenen Gemeinden Ober- und Unterkirchberg enthalten. Aus dem letzteren, das in den Figuren dem Wappen des von den Grafen von Kirchberg gestifteten Klosters Wiblingen entsprach, wurde ferner das goldene doppelarmige Kreuz übernommen. Dieses Kloster besaß das Patronatsrecht über die Unterkirchberger Kirche. Zur Unterscheidung vom Wappen des Klosters und Unterkirchbergs wie auch zur Hervorhebung der beiden Teilorten gemeinsamen Figurentradition der Mohrin wurde diese im Illerkirchberger Wappen in das vordere Feld gesetzt, während das doppelarmige Kreuz im hinteren erscheint.
(…)“
Die „Mohrin“ im Wappen von Illerkirchberg
(von Karl Schlegel, Illerkirchberg, Nov. 2021)
Hier wird in Auszügen nur auf den Teil der Wappengeschichte von Illerkirchberg eingegangen, der für das Thema „Schwarze Madonna“ bzw. „Mohrin“ relevant ist.
Marien-Verehrung der Grafen von Kirchberg
Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Linie der Grafen von Kirchberg schon Ende des 11. Jahrhunderts die Jungfrau Maria in ihrem Wappen führte. Denn nach der glücklichen Rückkehr der Brüder Otto und Hartmann I. Grafen von Kirchberg aus dem ersten Kreuzzug Ende des 11. Jhs. nahmen die Kirchberger wohl die Jungfrau Maria in ihrem Wappen auf. Damals galt sie als Patronin der Schlachtensieger für jene, die gegen Glaubensfeinde ins Feld zogen. In Schild und Heeresfahne als Marienbanner wurde das Bild der Maria mitgetragen, um von ihr Schutz zu erwirken. Als Beweis für das Gesagte kann das Epitaph von Eberhart Graf von Kirchberg aus dem Jahr 1472 gelten. Über dem Kopf des Eberhart ist das bisher nicht beachtete Marienbanner mit der Jungfrau Maria dargestellt und darf somit als Beweis für den Wappenursprung der Kirchberger gewertet werden. Es kann sich also beim Kirchberger Wappen schon deshalb später nicht um eine simple Mohrin gehandelt haben wie es bereits „Ruepprecht“ (1978) dargelegt hat.
Quelle: „Geschichte im Landkreis Neu-Ulm von 2020 ab Seite 39; Autor: Peter Wischenbarth
Die Vatermord-Sage:
In der Familie der Grafen von Kirchberg soll zwischen Graf Conrad I. und seinem Sohn Wilhelm III. 1250 ein Streit entstanden sein, in dessen Folge der Vater vom Sohn erwürgt worden sein soll. Demnach wurde Wilhelm III. vom Kaiser Rudolf I. zum Tode verurteilt. Zur weiteren Strafe sollten die Insignien der alten Grafen von Kirchberg, die im roten Talar und glänzender Krone gewandete Jungfrau, von nun an schwarz gewandet sein und mit zerzausten Haaren, bzw. als „Mohrin“ abgebildet werden.
In seiner Arbeit zur „Mohrin“ im Wappen des Landkreises Neu-Ulm geht der Autor Peter Wischenbarth auch ausführlich auf die „dunkle Frauengestalt“ im „Kirchberger Wappen“ ein. Er kommt dabei eindeutig zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um keine Mohrin handelt. Hier die wichtigsten Passagen:
In Wahrheit lässt die Vatermord-Sage aber eindeutig widerlegen (Mang 1930, 57f). Das 13. Jahrhundert kommt zunächst grundsätzlich nicht in Frage. Es gibt für diese Zeit keine überlieferte Nachricht, welche eine Mordtat bei den Kirchbergern auch nur annähernd wahrscheinlich machen würde. Ebenso ist der Zeitpunkt 1339 völlig auszuschließen, denn der angebliche Vatermörder Wilhelm stand 1333 wegen seines jungen Alters noch unter Vormundschaft und der Sterbezeitpunkt seines Vaters ist historisch nachweisbar zwischen dem 29.1.1325 und 29.9.1326. Wilhelm wäre bei seiner Mordtat also noch ein Kind gewesen. Zudem bildete das Wappen in der Züricher Wappenrolle aus dem Jahre 1335/45 die Frauengestalt schon mit schwarzer Hautfarbe ab, also schon viele Jahre vor dem angeblichen späteren Gerichtsurteil.
Fazit und Empfehlung.
Wie sich aus den Erläuterungen ergibt, fehlen in der Darstellung der Kirchberger Wappenfigur die zur Ansprache als „Mohrin“ eindeutig negroide Gesichtszüge bzw. Attribute. Ebenso sprechen auch die Haartracht und die goldene Farbe der Haare unmissverständlich dagegen. Die schwarze Farbe der Wappenfigur hat somit im Fall der Kirchberger keinerlei ethnischen Bezug zu Negern oder Mohren und auch nicht zur ominösen Vatermordsage, sondern entstand wie zu vermuten ist – zumindest teilweise auf religiöser Basis bzw. geht konform mit einer Modebewegung damaliger Zeit.
Quelle: „Geschichte im Landkreis Neu-Ulm von 2020 ab Seite 39; Autor: Peter Wischenbarth
Diese „Schwarze Madonna“ wurde später in die Wappen der bis 1972 selbstständigen Gemeinden Ober- und Unterkirchberg übernommen. Sie bildet jetzt, zusammen mit dem Patriarchenkreuz des Kloster Wiblingen, das Wappen der Gemeinde Illerkirchberg.
Ausführliche Ausarbeitungen zu diesem Thema gibt es von Gerhard Rimmele, Wappenschichte der Gemeinde Illerkirchberg und in der o.g. Quelle von Peter Wischenbarth.